Bischkek
Gesellschaftlicher Aktivismus in Zeiten instabiler politischer Verhältnisse
ca. 19. bis 31. August 2007

Am 24. März 2005 wurde in einem Volksaufstand der damalige Präsident Askar Akajew gestürzt. Mehr und mehr hatte seine Clique alle wichtigen Positionen im Land unter sich aufgeteilt, und schließlich waren bei den Parlamentswahlen im Februar 2005 auch noch seine Tochter und sein Sohn unter zweifelhaften Umständen ins Parlament befördert worden. In der Bevölkerung brachte dieser Tropfen das Fass zum Überlaufen. Die wirtschaftliche Lage vor allem auf dem Lande war und ist kaum erträglich, und viele hatten die Nase gestrichen voll von korrupten Beamten überall.

Viele hofften nach dem Umsturz auf einen tiefgreifenden Wandel – vor allem darauf, dass Korruption und Willkür der Beamten von den neuen “revolutionären” Machthabern eingedämmt und der Autoritarisierungsprozess gestoppt würde, den Akajew nach einem relativ demokratischen Start nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingeleitet hatte.

In den zwei Jahren seit dem Umsturz haben sich die neu-alten Eliten allerdings im Wesentlichen mit dem Kampf um Posten an den Macht- und Einkommensquellen beschäftigt. Ein munteres Hin- und Herwechseln zahlreicher Politiker zwischen Regierung und Opposition wird begleitet von halbjährlich auftretenden Demonstrationen der jeweiligen Opposition mit der einzigen Forderung „Der Präsident muss zurücktreten“, die nach durchschnittlich zehn Tagen mit beachtlichen Demonstrationen in einem kleineren Handgemenge mit einem fadenscheinigen Kompromiss enden, nachdem die Opposition das weitgehende Entgegenkommen von Präsident und Regierung vorher üblicherweise strikt ablehnt. Staatliche Institutionen sind dabei vor allem Verhandlungsmasse und Beute der verschiedenen Interessengruppen.

Die ökonomische Entwicklung der letzten zwei Jahre ist ebenso unerfreulich wie die politische. Zehntausende Menschen mit guter bis mittlerer Bildung verlassen das Land in Richtung Russland und Kasachstan, um ihre Familien zu ernähren, und besonders die städtischen Mittelschichten verschwinden. Stattdessen findet eine massive Landflucht aus Dörfern in den Bergen in die Hauptstadt Bischkek und die südliche Metropole Osch statt.

War Kirgistan unter den Nachfolgestaaten der Sowjetunion eines der wenigen Länder, in denen statt des Nationalismus der Titularnation für Regierung wie Bevölkerung die Devise „Kirgistan – unser gemeinsames Haus“ galt, lässt sich zurzeit ein wachsender Nationalismus der kirgisischen Bevölkerungsgruppe und eine zunehmende Verdrängung von Usbeken und Bevölkerungen mit europäisch-sowjetischem Hintergrund feststellen.

Auf unserer Reise wollen wir mit VertreterInnen zahlreicher NGOs, Jugendorganisationen, JournalistInnen sprechen und vor allem erfahren, wie sie sich zu der aktuellen Situation verhalten, denn alle gesellschaftlichen Konflikte und Entwicklungen finden genauso in den Strukturen der Zivilgesellschaft statt. Was sehen sie als die wichtigsten Probleme, wie hat sich in ihren Augen die Gesellschaft verändert, und was tun sie, um Veränderungen zu erreichen? Der NGO-Sektor spielt in Kirgistan eine wichtige Rolle: Er beeinflusst die demokratischen Prozesse im Land, übernimmt aber auch viele Funktionen, die der Staat und seine Sozialsysteme aus Geldmangel nicht erfüllen können. Wir wollen versuchen, die politischen Entwicklungen vor dem Hintergrund der ökonomischen und sozialen Bedingungen zu verstehen.

Kirgistan ist eine ehemalige Sowjetrepublik in Zentralasien, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 plötzlich unabhängig wurde. Im Gegensatz zu den meisten Nachfolgestaaten, in denen die alte Parteielite die Macht ungebrochen übernahm und schnell autoritäre Regimes errichteten, hatte Kirgistan recht kurz zuvor den bekannten Physiker Akajew aus Moskau nach Bischkek geholt. In der ersten Hälfte der 90er wurde unter dem Label “Kirgistan – die Schweiz Zentralasiens” ein Demokratisierungsprozess begonnen. Mit dem Wachsen der Abhängigkeit der Familie vom Präsidentenamt wurde jedoch seit Ende der 90er Jahre ein Autoritarisierungsprozess eingeleitet. Bis heute ist das Land jedoch im Vergleich zu allen seinen Nachbarn und den meisten GUS-Ländern immer noch recht liberal und steht in keinem Vergleich zu Weißrussland, Usbekistan oder gar Turkmenistan. Das Land versank mehr und mehr in Korruption, und im Gegensatz zu energiereichen Nachbarländer wie Kasachstan gibt es auch wenig ökonomisches Potenzial.

Wer Gefahr erwartet, muss sich mit dem Straßenverkehr zufrieden geben. Das Land ist zwar sehr konservativ, aber wenig religiös; Islamismus spielt praktisch keine Rolle. Auch Exotismus-Bedürfnisse werden sich nur begrenzt befriedigen lassen. Wer Hochgebirge sucht, wird allerdings mehr als fündig: Bischkek (früher Frunze) liegt am Fuß des Tien-Shan-Gebirges, das sich gleich hinter der Stadt bis auf 5.000 Meter erhebt und das Land bestimmt. Während unseres Programms werden wir uns weitgehend mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Gletscher aus der Innenstadt begnügen müssen – wer aber verlängern möchte, kann von Badeurlaub am See Issyk-Kul (dem zweitgrößten Hochgebirgssee der Welt) bis zu Bergtouren praktisch alles haben.

Das Vorbereitungsteam kennt sich im Land hervorragend aus (zwischen einem und 25 Jahren Erfahrung). Besondere Sprachkenntnisse sind nicht unbedingt erforderlich. Grundlegende Englischkenntnisse sind von Vorteil. Russischkenntnisse eröffnen vollständige Selbständigkeit.

Teamer: Michael

Teilnahmebeitrag: ca. 750-800 Euro. Leider wird die Reise nur aus IAK-Eigenmitteln finanziell unterstützt. Darin sind Vorbereitung, Flugkosten, Fahrtkosten im Land und Unterkunft (wir werden wieder eine Wohnung im Stadtzentrum mieten) enthalten.

Infos und Anmeldung: kirgistan@iak-net.de

Kirgistan: Gesellschaftlicher Aktivismus in Zeiten instabiler politischer Verhältnisse
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