Auf in den Westen

Innenraum der russisch-orthodoxen Uspenski-Kathedrale im Zentrum von Helsinki (Foto: Andreas Hünnebeck, CC BY 3.0, Wikimedia Commons)
Ein kritische und politische Bildungsreise nach Südfinnland
vom 06. bis 13. August 2023

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch in Finnland für eine Zeitenwende gesorgt – historische Zustimmungswerte in der Bevölkerung für einen Beitritt in die NATO und letztlich der Beitrittsgesuch, gemeinsam mit Schweden, waren die sichtbarsten Folgen. Aber die Veränderungen in Finnland gehen noch viel tiefgreifender, auch hier werden die letzten Lenin-Statuen und andere Denkmäler abgerissen, Atomkraftwerke werden nicht weiter gebaut – viele Verbindungen nach Russland gekappt. Finnland wird der NATO eine 1300 km lange Landgrenze mit Russland verschaffen und Finnland vielleicht seine Mittlerrolle zwischen Ost und West verlieren. Kann es in der Zukunft noch ein „Helsinki-Format geben? Wird Finnland endgültig Teil des Westens?

Gleichzeitig machte bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine die russischsprachige Bevölkerung knapp zwei Prozent der finnischen Bevölkerung aus. Seitdem viele Russ*innen über den Landweg vom nahegelegenen Sankt Petersburg aus ihrem Heimatland den Rücken gekehrt haben, werden es noch mehr. Wie geht die russischsprachige Minderheit vor Ort mit den Veränderungen um und wie agiert die wachsende russische Exilgemeinde in Helsinki?

Mit dieser Reise besuchen und betrachten wir ein Land im Umbruch. Im Fokus stehen vielfältige Gespräche mit Menschen in politischen und zivilgesellschaftlichen Initiativen: Wir fragen bei Politiker*innen der finnischen Linken nach, wie sie zu den aktuellen NATO-Bemühungen stehen, wir treffen Menschen der russischsprachigen Minderheit und sprechen über die Meinungen dieser Community und wir besuchen politische Initiativen, die sich klar gegen den russischen Angriffskrieg positionieren. Zudem finden im April 2023 finnische Parlamentswahlen statt, der erste große politische Stimmungstest seit Beginn der russischen Invasion, und wir sind uns sicher, dass es sich lohnt die Ergebnisse zu diskutieren – die rechtspopulistische Partei  „Perussuomalaiset“ („Wahre Finnen“) kann aktuell auf rund ein Fünftel der Stimmen hoffen oder sogar stärkste Kraft werden.

Ukrainische Exilgruppen protestieren auf dem Senatsplatz gegen den russischen Angriffskrieg im März 2022 (Foto: Robert Stark)

Wir begeben uns auf die Suche nach heutigen Spuren der historischen Verbindungen zu Russland – sichtbare Zeugen sind u.a. russisch-orthodoxe Kirchengebäude oder Statuen zu Ehren russischer Herrscher. Allerdings prägt Finnland seit dem blutigen Winterkrieg 1939/40 mit der Sowjetunion eine anhaltende Skepsis gegenüber dem östlichen Nachbarn. Manche sprechen von „Volkstraumata“ und nationalistische Stimmen trauern weiterhin dem Verlust Kareliens nach. Die Angst vor einem Angriff Russlands auf Finnland zeigt sich beispielsweise in Räumen, die als Luftschutzbunker genutzt werden können, und die fester Bestandteil von öffentlichen Gebäuden und größeren Wohnungsbauten sind.

Unsere Bildungsreise soll zum Eintauchen in die Komplexität und Widersprüche der Alltagsrealität in Helsinki einladen. Bereits die Gründung Helsinkis im 16. Jahrhundert – damals war Südfinnlands Teil des schwedischen Königreichs – war davon geprägt, als schwedischer Gegenpol zur Hansestadt Tallinn (Reval) zu fungieren, später im Vorherrschafts-Dreieck zusätzlich von Sankt Petersburg und mehreren russisch-schwedischen Kriegen und Konflikten beeinflusst. Ist Finnland ein historischer „Schnittpunkt“ zwischen Ost und West? Zwischen russischen Zaren, schwedischen Königen, baltischen Nachbarn und fenno-skandinavischen, indigenen Bevölkerungen im hohen Norden?

Die momentanen Umbrüche sind noch zu aktuell, um genaue Auswirkungen zu prognostizieren. Vielleicht beginnt jedoch derzeit ein weiteres Kapitel der finnischen Geschichtsschreibung? Unsere Bildungsreise soll erste Antworten dazu bieten.

Stadtrundgang zur deutsch-finnischen Geschichte in Helsinki bei der IAK-Reise im Oktober 2021 (Foto: Gabriel Birke)
Reiseleitung 

Robert Stark und Korbinian Schütze

Robert ist Erzieher, Historiker, Journalist und Politischer Bildner. Er lebt seit fünf Jahren in Finnland und wird bald finnischer Staatsbürger werden. Für ND, Jungle World und AK  schreibt er aus Helsinki.

Korbinian ist Architekt, Bühnenbildner und Trainer für internationale Austauschprogramme. Während seines Masterstudiums lebte er drei Jahre in Helsinki. Neben Bildungsreisen nach Benin und Italien (Venedig), organisierte Korbinian erste architekturgeschichtliche und gesellschaftspolitische Reisen nach Finnland in 2020 und 2021.

Wir freuen uns über diese erste Gelegenheit, eine gesamte Reise gemeinsam zu organisieren und einen Raum für Begegnung und Diskussionen zu schaffen.

Uns ist es wichtig, die Reise als gemeinsame Erfahrung zu verstehen, an der jede*r gleichermaßen beteiligt ist und in der unterschiedliche Bedürfnisse wertfrei nebeneinander Raum finden.

Reisezeitraum

7 Programmtage, 06. bis 13. August 2023

Teilnahmebeitrag und Unterkunft

750 bis 850 Euro

Der genaue Reisepreis wird nach Feststehen der Gruppengröße und Wünschen bezüglich Komfort und Lage der Unterkunft kalkuliert.

Der Teilnahmebeitrag beinhaltet die Unterkunft für 7 Übernachtungen, Kosten für das Reiseprogramm, Eintrittsgelder, Übersetzungen, Beiträge zur Reiseleitung und vor Ort anfallende Fahrtkosten.

Voraussichtlich werden unsere Unterkünfte komfortable Apartments sein, die mit 2-4 Personen belegt werden. Je nach Wünschen und Verfügbarkeiten sind Einzelzimmer mit Aufpreis möglich.

Der Großteil der Reise wird in und um Helsinki stattfinden, wo wir während der gesamten Zeit unsere Unterkunft beziehen. Je nach Programmwünschen und -ideen sind Tagesausflüge möglich.

Ein kleiner Solidaritätstopf ist vorhanden, bei finanzieller Enge wendet Euch bitte vertraulich an uns.

An- und Abreise

Wir empfehlen die Hin- und Rückfahrt nach Helsinki mit der täglichen Finnlines-Fährverbindung ab/nach Lübeck-Travemünde. Die 30-stündige Fährfahrt über die Ostsee ist eine komfortable, entspannte und nachhaltige Reisemöglichkeit. Um Gruppenbuchungen können wir uns kümmern. Tickets inklusive Unterkunft in Mehrbettkabinen kosten ca. 170-200 Euro pro Richtung.

Weitere An- und Abreisemöglichkeiten sind selbst zu organisieren und kosten durchschnittlich 150 bis 250 Euro hin und zurück. Über die verschiedenen An- und Abreisemöglichkeiten, sowie Gruppenbildungen, informieren wir gerne.

Die Reise wird in Berlin als Bildungsurlaub beantragt und kann auf Wunsch in weiteren Bundesländern beantragt werden.

Anmeldung

Interesse und sämtliche Fragen können an korbinian@iak-net.de gerichtet werden. Die Anmeldung ist nur noch bis 21.05.2023 möglich.

Finnland (06.-13.08.2023)

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