Seit dem 11. September und dem „Krieg gegen den Terror“ sind die USA und ihre Rolle in der Welt wieder verstärkt zum Thema geworden. Zwischen uneingeschränkter Solidarität und blankem Antiamerikanismus sind so ziemlich alle Positionen vertreten.. Mit unserer politischen Reise wollen wir nicht in erster Linie die Ereignisse des 11. Septembers thematisieren, sondern das Bild von Amerika und das Gesellschaftsverständnis in Deutschland und den USA und dessen Hintergründe erforschen. Dazu werden wir in Gesprächen und Seminarblöcken die Sicht auf Amerika in der amerikanischen Öffentlichkeit ergründen und uns mit den Positionen der Amerika-kritischen Linken in den USA sowie ihrer Sicht auf die US-amerikanische Gesellschaft auseinandersetzen.

Das Amerikabild in Deutschland ist diffuser: Die politische Öffentlichkeit ist dem Bekenntnis nach generell zwar pro-amerikanisch – aber Möllemann will ja auch kein Antisemit sein -, doch mindestens in der Furcht vor Amerikanisierung der Kultur und Individualisierung schwingt viel antiamerikanisches Ressentiment mit, das der unterstellten vereinzelten, rücksichtslosen Freiheit in den USA die heimelige deutsche Nestwärme gegenüberstellt. Auch die Positionen der deutschen Linken sollen thematisiert werden, in denen neben Kritik des Ressentiments viele Versatzstücke antiamerikanischen Antiimperialismus im linken Mainstream fortleben, die die USA und Israel als Urheber für Unterdrückung und Ungerechtigkeit in der Welt ausmachen. Was während des Bush-Besuchs zutage kam, mag da als Anschauungsmaterial dienen.

Mit unserer Reise wollen wir diese Bilder Amerikas dekonstruieren, indem wir uns die kritischen und unkritischen Debatten in den USA näher ansehen. Daneben wollen wir die in Deutschland kursierenden antiamerikanischen Ressentiments als solche aufdecken und kritisieren.

Indem wir uns mit der amerikanischen Realität und den Diskursen darüber beschäftigen, wollen wir versuchen, eine Kritik zu entwickeln, die die USA als Weltmacht in einer kapitalistisch verfaßten und damit falsch eingerichteten Welt begreift. Die Schwierigkeit besteht darin, eine Kritik zu entwickeln, die die USA zugleich als unter kapitalistischen Bedingungen und zu ihrer Durchsetzung agierenden bürgerlichen Nationalstaat, sich nach außen wie nach innen formierende Gesellschaft und als Vertreter und Garant eines bürgerlichen Liberalismus analysiert, der zumindest als Versprechen noch ein emanzipatorisches Moment in seinem Begriff von Freiheit und Individualität behält.

Wir wollen zunächst etwa eine Woche in Los Angeles verbringen, wo es ein reiches Spektrum politischer Gruppen gibt. Hier wollen wir verschiedene Gruppen und Initiativen besuchen: Die Busriders Union, eine Organisation, die antirassistische Stadtpolitik macht; die Southern California Library for Social Studies and Research, das Archiv der kalifornischen Linken; die Multicultural Collaborative; die Watts Century Latino Organization und andere. Mit ihnen wollen wir herausfinden, welches Gesellschaftsverständnis diese Gruppen haben und worin sich das von dem zumist sehr staatsfixierten ähnlicher deutscher Gruppen unterscheidet. Zudem ist L.A. eine Stadt, die eine der wichtigsten Projektionsflächen des antiamerikanischen Ressentiments ist, nicht zuletzt, weil Hollywood und Studio City das Synonym für Kulturindustrie sind. Weiter geht es für zwei Nächte nach Las Vegas zum Dudeln von Spielautomaten und Klimpern von Quarters (und vielleicht mit Ausflug zum Grand Canyon). Durch die Wüste fahren wir dann nach San Francisco, wo wir einige Intellektuelle treffen wollen oder die Anti Defamation League, sowie Vertreter der US-amerikanischen Antikriegsbewegung. Wer möchte, kann danach gerne noch die Reise verlängern.

Dies ist unser Vorschlag für das Programm. Die Details und weitere Fragestellungen handeln wir dann aber mit allen Mitfahrenden aus.

Da man sich in Los Angeles ohne Auto nicht bewegen kann und wir auch bis zum Eintreffen ins San Francisco ans Auto gefesselt sein werden, ist eine gewisse Toleranz fürs Autofahren unabdingbar (auch wenn es in den USA sehr viel vergnüglicher ist, im Auto zu sitzen). In San Franciso werden wir dagegen wieder ohne Auto glücklich.

Auf einem Vorbereitungsseminar im August werden wir die Reisevorbereitungen machen, die avisierten GesprächspartnerInnen vorstellen und uns die theoretischen Grundlagen vor allem übers antiamerikanische Ressentiment erarbeiten.

Der Teilnahmebeitrag beträgt ca. 900 bis 950 Euro. Darin enthalten sind Vorbereitungsseminar, Reader, Flug, Unterkunft und Transport (außer ÖPNV in San Francisco).
Termin: 20. September bis 4. Oktober 2002.
Teamer: Tobias Ebbrecht und Michael Schulte.

Info, Anmeldung und Interessebekundung: usa@iak-net.de

Auf zur Weltmacht! Antiamerikanisches Ressentiment vs. amerikanisches Gesellschaftsbild
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