Politische Reise nach Delhi und Kalkutta  ca. 15. März bis 07. April 2013

Politische Reise nach Indien

Indien wird heute als nächstes Wirtschaftswunderland nach China gehandelt. Indiens Öffnung gegenüber dem Weltmarkt hat in den letzten Jahrzehnten einen Wachstumsschub ausgelöst, der eine neue urbane Mittelschicht hervorgebracht hat und gleichzeitig soziale Ungleichheiten immer weiter verschärft. Der intensivierte Rohstoffabbau führt zu Landvertreibungen, deren Opfer die Slums der Großstädte füllen. Von der sozialen Polarisierung sind heute in besonderem Maße diejenigen betroffen, die traditionellerweise zu den kulturell ausgegrenzten Gruppen gehören.

Ideologisch wurde die wirtschaftliche Umstrukturierung Indiens von einer neuartigen Politisierung von Religion begleitet. Die massiven ökonomischen Umbrüche wurden durch eine hindu-nationalistisch geprägte Regierung angestoßen, deren Abgrenzung vom Säkularismus der Nehru-Ära die seit der Unabhängigkeit schwelenden Konflikte zwischen Muslimen und Hindus erneut ins Zentrum der nationalen Politik rückte. Sowohl interreligiöse Auseinandersetzungen als auch fundamentalistische und rechtsextreme Aktivitäten erschüttern Indien in den letzten Jahren verstärkt. Gewalttätige Angriffe – insbesondere gegen Muslime – treffen auf ein ambivalentes Verhalten der staatlichen Institutionen. Auch das offiziell abgeschaffte Kastenwesen erlebt im Zuge der Hinduisierung der Gesellschaft eine Stärkung. Verletzungen der Kastenregeln führen vor allem auf dem Land immer wieder zu brutalen Lynchmorden und einer Parallel-Gerichtsbarkeit, die die Polizei weder eingrenzen kann noch will.

Die aktuellen Veränderungen haben auch Auswirkungen auf den offiziellen Umgang mit Minderheiten und deren Diskriminierung. Staatliche Antidiskriminierungsmaßnahmen und Affirmative-Action-Programme werden heute zunehmend in Frage gestellt. Quotenregelungen und ein Reservierungssystem waren in Indien bereits mit der Unabhängigkeit 1949 eingeführt worden, um benachteiligte Bevölkerungsschichten zu unterstützen und Zugangsbarrieren abzubauen – wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Denn diese staatlichen Eingriffe lassen immer wieder auch Konflikte entstehen und können ungewollt mit dazu beitragen, gesellschaftliche Ungleichheiten zu ethnisieren, zu kulturalisieren und dadurch institutionell zu festigen. Heute führen vor allem das Wachsen des privaten Sektors und der damit verbundene Einflussverlust des öffentlichen Sektors dazu, dass Antidiskriminierungsmaßnahmen insbesondere in der Arbeitswelt sowie im Bildungsbereich an Effektivität verlieren und grundsätzlich erschwert werden. Gleichzeitig sind sie ideologischen Angriffen ausgesetzt, was jüngere Proteste vor allem an Universitäten deutlich machen. Vor allem für Jugendliche haben diese Entwicklungen weitreichende Konsequenzen.

Wir wollen uns auf der Reise mit dem Zusammenhang von ökonomischer Umstrukturierung und Kulturalisierung sozialer Konflikte in Indien beschäftigen. Wie lässt sich die Gleichzeitigkeit von sozialer Aufwärtsmobilität und traditioneller Gesellschaftsvorstellung erklären? Welche Auswirkungen haben die Veränderungen auf Möglichkeiten gesellschaftlicher Partizipation? Welche Strategien im Umgang mit Ausschließungsmechanismen wurden in Indien entwickelt, die auch für den globalen Norden Vorbildfunktion haben können? Wie versuchen zivilgesellschaftliche Akteure, der wirtschaftlichen und sozialen Polarisierung entgegenzuwirken?

In Indien existiert eine aktive Zivilgesellschaft, die die Lage der Marginalisierten, soziale Ungleichheiten und das Problem von Re-Traditionalisierungen immer wieder auf die politische Agenda setzt. Auf unserer Reise wollen wir uns mit AktivistInnen sozialer Bewegungen, mit Menschenrechtsorganisationen, SozialarbeiterInnen, Gewerkschaften, Studierendengruppen und WissenschaftlerInnen treffen und austauschen.

Unsere Partnerorganisation ist die indische Bürgerrechtsorganisation PUCL (People’s Union for Civil Liberties).

Die Reise führt uns nach Delhi und Kalkutta und damit in zwei Metropolen, die sich nicht nur strukturell, sondern auch in Hinsicht auf ihre politische und wirtschaftliche Bedeutung stark unterscheiden.

In Delhi wollen wir uns insbesondere mit den Folgen der sich globalisierenden indischen Wirtschaft, mit Konflikten um Religion und Säkularismus, mit der Rolle des Kastenwesens, der Politik des Hindu-Nationalismus sowie mit Möglichkeiten gewerkschaftlicher und politischer Organisierung beschäftigen.

In Kalkutta stehen die Auswirkungen von Landvertreibung, Stadtumstrukturierung und Slumclearing sowie die Situation jugendlicher (Arbeits-)MigrantInnen aus Bangladesh im Zentrum.

Je nach Interesse der TeilnehmerInnen legen wir die einzelnen Schwerpunkte unserer Reise gemeinsam fest. Die Mitgestaltung und Vorbereitung des Programms durch die TeilnehmerInnen ist ausdrücklich erwünscht. Wir werden auch einige Tage zur Entspannung und zur individuellen Gestaltung einplanen.

 

Termin: ca. 15. März bis 7. April 2013

Kosten: 1.000-1.400 €.

Die Anerkennung der Veranstaltung nach dem Berliner Bildungsurlaubsgesetz als Bildungsurlaub wird beantragt.

TeamerInnen: Lutz Achenbach und Sabine Kritter

Weitere Informationen und Anmeldung (bis 15.01.2013):  indien@iak-net.de

 

 

Indien: Gesellschaftliche Polarisierung und Diskriminierung in Zeiten wirtschaftlicher Umstrukturierung

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