Eine politische Reise zum Thema ‚Soziale Rechte in der Stadt‘ (Santiago und Valparaíso), Basisorganisierung und Protest in den Bereichen Bildung, Wohnen, Freiräume, Recht auf Stadt etc.

Voraussichtlicher Zeitraum: ca. 22. September bis 13. Oktober 2012

Chile ist eines der reichsten Länder Lateinamerikas, gleichzeitig ist es unter den OECD-Ländern das mit dem größten Wohlstandsgefälle. Die Löhne sind niedrig, 20 Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Soziale Rechte, wie das Recht auf Bildung, auf Gesundheit, auf würdiges Wohnen, fairen Lohn, etc. können von der Mehrheit der ChilenInnen nicht voll wahrgenommen werden. Die soziale Infrastruktur ist in Chile größtenteils in privater Hand und deren Leistungen sind sehr teuer, gewerkschaftliche Organisation ist mit hohen gesetzlichen Hürden und sozialen Risiken verbunden. Während der blutigen Militärdiktatur Augusto Pinochets (1973-1990) wurde das Land zum neoliberalen Musterland, den ChilenInnen wurden systematisch und gewaltsam ihre Rechte entzogen. Ob Gesundheit oder Wohnen – aus einem Recht wurde eine Ware. Mit dem Übergang zur Demokratie gab es zwar einzelne Reformen, aber am ungerechten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem hat sich kaum etwas geändert: Es gab weder eine Verfassungsreform noch einen grundsätzlichen Wandel in der Arbeitsgesetzgebung, im Bildungssystem, in der Wohnungspolitik oder in anderen Bereichen – die Privatisierung ging weiter.

Dagegen regt sich zunehmend Widerstand: Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte dieser im letzten Jahr mit einer historischen Massenbewegung, als Hunderttausende Studierende, SchülerInnen, GewerkschafterInnen und Angehörige weiterer gesellschaftlicher Gruppen über ein halbes Jahr lang für ein kostenloses und gutes öffentliches Bildungssystem und gegen soziale Ungerechtigkeit protestierten. Die Entschlossenheit der Protestierenden und die überwältigende Unterstützung der Bevölkerung machen deutlich, dass die Menschen in Chile, insbesondere die jüngeren, nicht länger bereit sind, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu akzeptieren.

Mit der 2010 gewählten rechts-konservativen Regierung unter Präsident Sebastian Piñera spitzen sich soziale und politische Konflikte zu. Neben den Bildungsprotesten mehren sich Streiks, Umweltproteste und Wohnungskämpfe, auch der Dauerkonflikt mit der indigenen Mapuche-Bevölkerung eskalierte. Neue Bündnisse verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und die Forderung nach mehr Mitbestimmung (z.B. in Form eines Plebiszits) stärken die bisher sehr schwache Zivilgesellschaft.

Auf unserer Reise wollen wir mehr über die Hintergründe der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikte in Chile erfahren und darüber, wie sich die Menschen organisieren, um ihre Rechte zu erkämpfen und Teilhabe einzufordern. Dabei werden wir uns schwerpunktmäßig in der Metropole Santiago de Chile und der zweitgrößten chilenischen Stadt Valparaíso bewegen. Santiago ist ein riesiger wachsender Ballungsraum, in dem 40 Prozent der Bevölkerung leben. Hier werden fast alle gesellschaftlichen Konflikte sichtbar, vor allem diejenigen aufgrund der städtischen Modernisierung und Segregation. Die Hafenstadt Valparaíso ist der Ort der (sub)kulturellen ‚Bohéme‘, in dem Alternativkultur, Kunst und Partyszene aufeinander treffen. Als Sitz des Parlaments steht sie symbolisch für die repräsentative Demokratie. Auf unserer Reise treffen wir uns mit AktivistInnen sozialer Bewegungen, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Studierendengruppen, selbst organisierter Nachbarschaften und mit SozialforscherInnen, JournalistInnen und vielen weiteren spannenden GesprächspartnerInnen und ‚ExpertInnen‘. Wir besuchen Orte der Erinnerung, widerständige Barrios (Stadtviertel), Universitäten, Poblaciones (Arbeitersiedlungen), Wohn-, Medien- und Kulturprojekte u.a. und lernen die unterschiedlichen Lebensrealitäten der chilenischen Gesellschaft kennen.

Wir fragen, wogegen und wofür die Initiativen, Organisationen und Bewegungen streiten, was sie erreicht haben und wie. Welche Erfahrungen mit dem Kampf um Rechte, mit Selbstorganisation und mit urbaner, universitärer, schulischer, betrieblicher Partizipation haben sie gemacht? Gibt es gelebte gesellschaftliche Alternativen und wie sehen diese aus? Über dies und mehr und die jeweiligen Bedingungen in unseren Ländern wollen wir uns bei unseren Begegnungen mit den PartnerInnen vor Ort austauschen und die neuen Kontakte und Erkenntnisse für unsere jeweils eigene politische und sonstige Arbeit nutzen.

Je nach Interesse der Teilnehmenden legen wir die einzelnen Schwerpunkte unserer Reise gemeinsam fest. Die Mitgestaltung und Vorbereitung des Programms durch die ReiseteilnehmerInnen ist ausdrücklich erwünscht. Wir werden auch einige Tage zur Entspannung abseits der Großstadt und zur individuellen Freizeitgestaltung einplanen.

Teilnahmebeitrag: ca. 1500-1.700 Euro. Darin enthalten sind Vorbereitung, Flugkosten, Fortbewegung in Chile und Unterkunft.

Es wird die Anerkennung dieser Veranstaltung nach dem Berliner Bildungsurlaubsgesetz als Bildungsurlaub beantragt.

Teamerinnen: Kristin Schwierz und Nicole Tomasek

Nähere Informationen: chile@iak-net.de

Chile: Soziale Rechte in der Stadt

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