Wir fahren in den Südwesten der Stadt. In einem eher ärmlichen Wohngebiet hat eine Gruppe von christlichen Ordensschwestern in Eigeninitiative ein kleines Haus gemietet, um ein Zentrum für Menschen in Mobilität aufzubauen. Uns empfängt eine Delegation von Schwestern unterschiedlicher Ordensgemeinschaften. Sie erzählen uns von ihrer Arbeit, die sie in der Zeit der großen Karawanen begonnen haben, als täglich Menschen auf ihrem Weg von Zentralamerika in die USA auf den Güterzügen aus dem Süden in der Stadt angekommen sind: manche Schwestern arbeiten zum Thema Bildung, Gesundheitsversorgung oder zu Umweltfragen, andere betreiben eine Suppenküche, arbeiten mit von Menschenhandel betroffenen Personen oder beraten Menschen, die geschlechtsspezifische Gewalt überlebt haben.

Mitten durch die Stadt: Die Grenze als künstliche Trennung und Abschottung
Seit Anfang 2025 haben die USA den Zugang zu Asyl quasi abgeschafft. Menschen auf der Flucht, die es bis an die US-amerikanische-Grenze im Norden Mexikos geschafft haben, sind nun gezwungen, einen Umgang mit der verschärften politischen Situation zu finden. Unmöglich ist derzeit, die Grenzbrücke in Ciudad Juárez zu überqueren und auf der anderen Seite in El Paso, Texas, einen Asylantrag zu stellen. Unklar ist, wann sich das ändert. Viele Menschen müssen sich die Frage stellen, ob Ciudad Juárez nicht nur eine Durchgangsetappe ist, sondern möglicherweise – zumindest vorübergehend – auch ein Ort des Ankommens sein kann.

An der Grenzbrücke: „Feliz Viaje“ („Gute Reise“) – nicht für Menschen, die Asyl suchen
Die Ordensschwestern wollen mit dem neuen Zentrum ihre Kräfte bündeln und ihre Arbeit an die veränderten politischen Umstände anpassen. Sie wollen dazu beitragen, dass Menschen überall – auch auf der Flucht – ein würdiges Leben haben. Viele Angebote für Migrierende werden in Mexiko von christlichen Kirchen getragen. Besonders bei diesem Projekt ist, dass sich Schwestern fünf verschiedener Orden zusammengeschlossen haben. Sie sagen, es bestehe großer Bedarf, geflüchtete Menschen über die erste Phase des Ankommens hinaus zu unterstützen, aber die Mittel sind knapp. Und sie wissen, dass sie zusammen mehr erreichen können.
Mit dem neuen Projekt soll ein Raum für Austausch und Begegnung entstehen. Viele Menschen in Mobilität, die in Ciudad Juárez stranden und bleiben, erleben aufgrund ihres niedrigen Status verschiedene Situationen von Ausbeutung. Oft findet sich Arbeit nur im informellen Sektor, ohne Mindestlohn oder Arbeitszeitobergrenze. Der Wohnungsmarkt ist geprägt von Diskriminierung, überhöhten Mieten und fehlenden Sicherheiten. Zudem besteht die Gefahr von Entführungen mit dem Ziel, von ihren Familien Lösegeld zu erpressen. In dem Zentrum sollen Menschen beraten werden und einen und einen Ort vorfinden, an dem sie Kraft und Unterstützung bekommen, um sich mit der derzeitigen Situation zu arrangieren.
