Als es hieß wir fahren zu dem Denkmal an den Baumwollfeldern, erwartete ich zunächst, dass wir aus der Stadt raus fahren. Anstatt dessen hielten wir nach einer kurzen Busfahrt an einer Kreuzung an einem Highway. Dass sich hier ein Gedenkort befindet, erkennt man nur, wenn man will. Zwar gibt es ein Schild, das darauf hinweist, an der mehrspurigen Straße, geht dies jedoch völlig unter.

Durch ein Metalltor, betritt man das Denkmal. Es ähnelt mehr einer heruntergekommenen Gartenanlage: ummauert von nackten, beigen Steinwänden führt ein breit gepflasterter unter ein Metalldach, das wohl Schatten spenden soll, hin zu einer erhöhten Statue einer weiblichen Figur, die von Weitem betrachtet auch an jedem anderen Platz auf der Welt stehen könnte.

Erst wenn man näher herantritt, sieht man die eingravierten Namen derer, die durch Feminizide ermordet wurden. Am Rand des Weges stehen Steinbänke und hier und da gehen Wege ab zu unterschiedlichen Platten, die das Gedenken gestalten sollen. Der Großteil der Flächen ist jedoch leer, unklar ob sie noch gefüllt werden. Genauso wie das leere Wasserbecken am Ende des Denkmals. Sich unterhalten, fällt schwer durch den Lärm der angrenzenden Straßen. An vielen Stellen an den Wänden scheinen durch die frische weiße Farbe bei genauem Hinsehen noch die Slogans von Aktivist*innen durch, mit denen sie versucht haben, dem klinischen Ort, Inhalt und Würde zu verleihen.

Es ist irritierend eine Gedenkstätte, die Feminizide thematisiert, so kalt gestaltet zu sehen. Einen Teil der Erklärung dafür findet man in der Entstehungsgeschichte: Mexiko wurde vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte dazu verurteilt, ein Denkmal zu errichten. Das Urteil von 2009 behandelt den Fall von drei jungen Frauen, deren Körper neben fünf weiteren auf dem Baumwollfeld gefunden wurden. Ungefähr dort, wo heute das Denkmal steht. Juristisch ist das Urteil wegweisend, da es zum ersten Mal zu einer Behandlung von Feminiziden auf internationaler Ebene kam und die staatliche (Mit-)verantwortung an den Morden klar benannt und verurteilt wurde. In der mexikanischen Realität steht es jedoch weiterhin nur exemplarisch für die erschreckend hohe Anzahl von Feminiziden in Juárez seit den 90er Jahren.

Eigentlich ist es ein wichtiger Ort. Einer, der einen Bruch mit patriarchalen Strukturen, eine Kampfansage an Feminzide und zumindest den Beginn einer Übernahme staatlicher Verantwortung für den Schutz der eigenen Bevölkerung darstellen sollte. Das staatliche Denkmal erinnert an die Feminzide, aber stellt sie eher kontextlos dar. Es ist wie ein Brennglas des Umgangs mit Feminiziden in Ciudad Juárez.

Doch zum Glück haben auch hier Aktivist*innen das Gedenken mitgestaltet. Sie haben ihrem Kampf um Anerkennung der Morde als Feminizide, ihrer Trauer und ihrem Widerstand Platz verschaffen. Auf den Rasenflächen stehen die bekannten pinken Kreuze mit der Aufschrift „Ni una más“ und die große Wand am Ende der Gedenkinstallation ist bemalt in Erinnerung an Isabel Cabanillas und andere durch patriarchale Gewalt Ermordeten. Blumen, bunte Farben und die Anklage staatlicher Verantwortung sind die Anteile des Gedenkortes, die einen betroffen machen, einen wütend werden lassen und einen darin bestärken weiter zu kämpfen – nicht nur in Mexiko, sondern auch bei uns.

Besuch der Gedenkstätte „Denkmal Feminizidopfer Baumwollfeld“ („Memorial Victimas de Feminicidio Campo Algodonero“)

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