Bischkek 13.-27. August 2006

Am 24. März 2005 wurde in einem Volksaufstand der damalige Präsident Askar Akejew gestürzt. Mehr und mehr hatte sein Clan alle wichtigen Positionen im Land unter sich aufgeteilt, und schließlich waren bei den Parlamentswahlen im Februar 2005 auch noch seine Tochter und sein Sohn unter zweifelhaften Umständen ins Parlament befördert worden. In der Bevölkerung brachte dieser Tropfen das Fass zum Überlaufen. Die wirtschaftliche Lage vor allem auf dem Lande war und ist kaum erträglich, und viele hatten die Nase gestrichen voll von korrupten Beamten überall.

Ausgehend vom ärmeren und konservativen Süden des Landes brachten Aufständischen nach und nach ohne Blutvergießen die meisten Oblast- und Stadtverwaltung unter ihre Kontrolle. Als die Masse am 24. März eher zufällig in den Garten des Präsidentensitzes eindrangen, machten sich die Wachleute und die Angestellten – wie schon zuvor in den besetzten Verwaltungen überall im Land – auf und davon. Diesmal inklusive (Ex-)Präsident und seiner Familie.

Viele hofften nach dem Umsturz auf einen tiefgreifenden Wandel – vor allem darauf, dass Korruption und Willkür der Beamten von den neuen “revolutionären” Machthabern eingedämmt und der Autoritarisierungsprozess gestoppt würde, den Akajew nach einem relativ demokratischen Start nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingeleitet hatte. Während sich die neuen Machthaber um den neuen Präsidenten Bakiew und den unter Akajew fünf Jahre lang wegen angeblicher Korruption inhaftierten Felix Kulow diese Ziele auf die Fahnen schrieben, entwickelte sich das Land in der entgegengesetzten Richtung. Zwar wurden einige Spitzen ausgetauscht, doch blieben die meisten alten Leute samt ihrer Netzwerke auf ihren Plätzen und nutzten gemeinsam mit dem neu hinzugekommenen Personal die Zeit der unklaren Machtverhältnisse, um ihre Positionen, ihren Einfluss und ihre Einnahmequellen zu optimieren.

Die damaligen Revolutionäre gingen in zwei Richtungen auseinander: Die einen hatten Positionen gewonnen oder sich anderweitig mit der neuen Situation abgefunden, während der verbliebene Rest sowie weite Teile der Bevölkerung tief enttäuscht sind.

Auf unserer Reise wollen wir mit VertreterInnen zahlreicher NGOs, Jugendorgaanisationen, JournalistInnen darüber sprechen, wie sie die Ereignisse des 24. März 2005 einschätzen und worin sie Gründe für ihr Zustandekommen sehen. Wir wollen herausfinden, welche Veränderungen sich ergeben haben und welche Projekte gescheitert sind, und natürlich, welche Perspektiven sie für die Zukunft sehen. Aber die Ereignisse des 24. März sind ja nicht vom Himmel gefallen. Deshalb werden wir uns natürlich auch mit den gesellschaftlichen und ökonomischen Hintergründen und der politischen Lage Kirgistans im Allgemeinen beschäftigen.

Kirgistan ist eine ehemalige Sowjetrepublik in Zentralasien, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 plötzlich unabhängig wurde. Im Gegensatz zu den meisten Nachfolgestaaten, in denen die alte Parteielite die Macht ungebrochen übernahm und schnell autoritäre Regimes errichteten, hatte Kirgistan recht kurz zuvor den bekannten Physiker Akajew aus Moskau nach Bischkek geholt. In der ersten Hälfte der 90er wurde unter dem Label “Kirgistan – die Schweiz Zentralasiens” ein Demokratisierungsprozess begonnen. Mit dem Wachsen der Abhängigkeit der Familie vom Präsidentenamt wurde jedoch seit Ende der 90er Jahre ein Autoritarisierungsprozess eingeleitet. Bis heute ist das Land jedoch im Vergleich zu allen seinen Nachbarn und den meisten GUS-Ländern immer noch recht liberal und steht in keinem Vergleich zu Weißrussland, Usbekistan oder gar Turkmenistan. Das Land versank mehr und mehr in Korruption, und im Gegensatz zu energiereichen Nachbarländer wie Kasachstan gibt es auch wenig ökonomisches Potenzial.

Wer Gefahr erwartet, muss sich mit dem Straßenverkehr zufrieden geben. Das Land ist wenig religiös, Islamismus spielt praktisch keine Rolle. Auch Exotismus-Bedürfnisse werden sich nur begrenzt befriedigen lassen. Wer Hochgebirge sucht, wird allerdings mehr als fündig: Bischkek (früher Frunze) liegt am Fuß des Tien-Shan-Gebirges, das sich gleich hinter der Stadt bis auf 5.000 Meter erhebt und das Land bestimmt. Während unseres Programms werden wir uns weitgehend mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Gletscher aus der Innenstadt begnügen müssen – wer aber verlängern möchte, kann von Badeurlaub am See Issyk-Kul (dem zweitgrößten Hochgebirgssee der Welt) bis zu Bergtouren praktisch alles haben.

Das Vorbereitungsteam kennt sich im Land hervorragend aus (zwischen einem und 23 Jahren Erfahrung).

Besondere Sprachkenntnisse sind nicht unbedingt erforderlich. Grundlegende Englischkenntnisse sind von Vorteil. Russischkenntnisse eröffnen vollständige Selbständigkeit.

Teilnahmebeitrag: Voraussichtlich ca. 850 Euro. Darin enthalten sind Vorbereitungsseminar und -reader, Fahrtkosten und Unterkunft.

TeamerInnen: Michael und Yulia

Kirgistan: Ein Jahr nach dem Umsturz – was hat sich verändert?
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